24. Bundeskongress Pathologie
SAVE THE DATE
22.-23. November 2024
Hotel Titanic, Berlin Mitte
Weitere Informationen

Mammakarzinomverband in der Pleurahöhle, 10x vergrößert.


14.08.2023

Ästhetische Bilder und klare Diagnosen
Dr. med. Iryna Trotsyuk

Dr. med. Iryna Trotsyuk
Dr. med. Iryna Trotsyuk

Wie kamen Sie persönlich zur Pathologie? Welche Neugier hat Sie getrieben? 
 

Trotsyuk: Ich habe im Modelstudiengang an der Charité Medizin studiert, das bedeutet, man hatte neben der naturwissenschaftlichen Theorie schon ab dem ersten Semester Patientenkontakt, und die Vorklinik war eng mit der Klinik verknüpft. Unsere Histologiepraktika wurden daher sowohl von AnatomInnen als auch von sehr motivierten PathologInnen begleitet. Für mich waren es die besten und spannendsten Kurse, da man – durchs Mikroskop schauend – sagen konnte, was der Patient oder die Patientin hat beziehungsweise was nicht. Eine Biopsie beispielsweise kann für sich allein genommen zur Diagnose führen – das hat mir sehr gefallen, da ich auch ein pragmatischer und lösungsorientierter Mensch bin. Durch das spannende Format habe ich viel Zeit in die Vor- und Nachbereitung der Kurse investiert, wurde so immer sicherer in der normalen Histologie und konnte bei Fragen auch meinen KommilitonInnen helfen. Durch das positive Gefühl getrieben, das bei der Beschäftigung mit dem Fach Pathologie entstand, gelangte ich über eine Famulatur zu einer Promotion mit Schwerpunkt in der Morphologie des Kolonkarzinoms und nach dem Medizinstudium unmittelbar zum Job im Institut für Pathologie an der Charité. 


Ist die Pathologie für Sie ein Traumjob?
 

Trotsyuk: Ja, absolut! Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, ich kann mir den ganzen Tag lang Histologiebilder anschauen. Das können meine klinischen Freunde überhaupt nicht nachvollziehen! Denn ich finde Histologiebilder nicht nur aufschlussreich, sondern auch sehr künstlerisch! Wenn eine Magenwand in den in der Pathologie häufig eingesetzten drei Färbetechniken nebeneinanderliegt, erfreuen die Farben jeden Ästheten. Mittlerweile habe ich so viele schöne Histologiebilder fotografiert, dass man daraus eine Ausstellung generieren könnte. Neben dem Aspekt, dass das Mikroskopieren im wahrsten Sinne des Wortes sehr schön ist, sind die Arbeitszeiten von PathologInnen näher am Rhythmus der regulär arbeitenden Bevölkerung, und anders, als man es vielleicht aus der Klinik kennt, was zu einer guten Work-Life-Balance führt. 

Welche Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für die Pathologie wichtig?
 

Trotsyuk: Ein visueller Lerntyp zu sein, Freude an der Mustererkennung zu haben sowie sich für das Lernen zu begeistern, denn man lernt nie aus in der Pathologie. Kein Präparat sieht man zweimal, man muss sein Wissen auf jedes Präparat neu anwenden. Vor allem am Anfang der Ausbildung muss man eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen, ohne die Motivation zu verlieren, da man am laufenden Band nur Neues sieht und man vom supervidierenden Fach- oder Oberarzt viel Feedback bekommt. Im Gegensatz dazu sind die KommilitonInnen, die in die klinischen Fächer gegangen sind, sehr schnell sehr selbstständig und müssen schon sehr früh Entscheidungen treffen. Es muss einem bewusst sein, dass man als PathologIn bis zum Ende der Ausbildung kontinuierlich supervidiert wird. Als letzten Punkt würde ich gerne noch Demut anfügen, da man nicht vergessen sollte, dass sich hinter jeder Fallnummer auch ein Patient oder eine Patientin verbirgt. Er oder sie warten auf die Diagnose und legen große Hoffnungen in die Arbeit der PathologInnen. 

Wie sind die Aussichten nach der Ausbildung, was kann man danach erwarten?
 

Trotsyuk: Wenn man die Facharztausbildung abgeschlossen hat, stehen einem – ähnlich zu den klinischen KollegInnen – alle Türen offen. Man kann sowohl im Krankenhaus weiter angestellt bleiben oder man geht in die Niederlassung. 

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft in der Pathologie aus? Wo geht die Reise hin?
 

Trotsyuk: Es wird auf jeden Fall einen großen Bedarf an PathologInnen geben, da jede Krebsdiagnose durch die Pathologie gestellt wird. Die Menschen werden dank moderner Medizin immer älter, Alterskrebs wird eine immer größere Rolle spielen. Es könnte also passieren, dass es bei einem Mangel an PathologInnen – durch Ruhestand und fehlenden Nachwuchs – und immer mehr an Krebs erkrankten PatientInnen zu Engpässen in der Diagnostik kommt. Um dem ein wenig gegenzusteuern, ist es wichtig, sich sowohl um den Nachwuchs zu kümmern, als auch Systeme zu entwickeln, die uns PathologInnen bei der Arbeit unterstützen. Vereinfacht bedeutet der letzte Punkt: Man bringt Computern bei, wie bestimmte Muster oder Färbungen zu interpretieren sind, und der Computer unterstützt uns dabei, die richtige Diagnose schnell und sicher zu stellen. Doch das ist bei uns in der Routinediagnostik leider noch nicht angekommen, sondern ist Ziel mancher Forschung. Wenn die Schnitte immer weiter digitalisiert werden, wird es in Zukunft auch möglich sein, von zu Hause aus einen großen Teil der Arbeit zu erledigen, was wiederum den Job der PathologInnen für angehende ÄrztInnen schmackhaft machen könnte. 

Wie kann man die Pathologie besser kennenlernen?
 

Trotsyuk: Da die Pathologie ein Fach für das Auge ist und dadurch sichtbar gemacht werden kann, findet man PathologInnen aus der ganzen Welt, die entweder spannende Fälle in Social Media vorstellen oder besonders schwierige, interessante Patientenfälle anonym mit anderen teilen oder einfach sehr ästhetische Bilder online stellen. Auf Instagram gibt es Künstler, die sogar Pathologiebilder abmalen und es als Lesezeichen oder Kalender verkaufen. So kommen diese Kunstwerke an die Öffentlichkeit, ohne dass viele überhaupt wissen, was dort dargestellt ist. Und wenn das Semester wieder losgeht, dann sind die Studierendenkurse die beste Möglichkeit, um auf die Pathologie aufmerksam zu machen. Ich mache oft Werbung dafür, einen Tag mit mir mitzulaufen, um den Arbeitsalltag in der Pathologie kennenzulernen. Viele nehmen das Angebot an und sind sehr positiv überrascht. Denn egal, in welche Richtung man später gehen möchte, Pathologie ist der Grundbaustein der Medizin.

Was sind besondere Momente in Ihrem Arbeitsalltag?
 

Trotsyuk: Für mich sind viele Sachen besonders. Einerseits sind Fälle besonders schön, wenn sie wie im Lehrbuch sind und man alle Kriterien wiedererkennt. Andererseits sind Fälle besonders spannend, wenn man über Umwege zur Diagnose kommt und dann zufrieden ist, dass man einen Knobelfall gelöst hat – wie ein Detektiv. Nicht nur inhaltlich bereichernd, sondern auch besonders gesellig war meine erste Präsenzfortbildung. Es war schön, PathologInnen, die in der gleichen Ausbildungsphase wie ich waren, aus aller Welt kennenzulernen und festzustellen, was für tolle und interessante Menschen sich für die Pathologie entschieden haben und dass ich ein Teil davon geworden bin.