Gemeinsame Stellungnahme von Berufsverband Deutscher Pathologinnen und Pathologen e. V. (BDP), Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V. (DGP), Berufsverband Deutscher Humangenetiker e. V. (BVDH), Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GFH), Berufsverband Deutscher Laborärzte e. V. (BDL), Akkreditierte Labore in der Medizin e. V. (ALM), Berufsverband der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie e. V. (BÄMI), Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e. V. (SpiFa)
IVDR: EU-Bewertung Oktober 2025
IVDR: EU-Bewertung Oktober 2025
Initiative der EU-Kommission zur MDR und IVDR (Ref. Ares(2025)7425764): Stellungnahme für kosteneffiziente und verhältnismäßige Anforderungen an die In-vitro-Diagnostik
Um den Versorgungsauftrag in der In-vitro-Diagnostik aufrechtzuerhalten und auch kleine Patientengruppen bestmöglich zu versorgen, ist eine deutliche Entbürokratisierung und Anpassung der regulatorischen Anforderungen für eigenentwickelte IVD (Inhouse-IVD, IH-IVD) erforderlich. Insbesondere die derzeitige Bevorzugung kommerzieller CE-IVD gemäß Artikel 5 Absatz 5 Buchst. d IVDR gefährdet Innovationen und den schnellen Zugang zu neuen diagnostischen und therapeutischen Verfahren. Folgende Maßnahmen fördern die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten mit qualitätsgesicherter in-vitro-Diagnostik durch kosteneffizientere und verhältnismäßigere Sicherheitsanforderungen:
1. Ersatzlose Streichung von Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe d (CE-IVD Vorzug): Das Verbot von IH-IVD bei äquivalenten kommerziell erhältlichen CE-IVD muss entfallen, um die Nachhaltigkeit und medizinische Innovation in Diagnostik und Therapie langfristig zu sichern und eine zeitnahe Anpassung an die Bedürfnisse der Patienten zu ermöglichen. Sind IH-IVD und CE-IVD gleichwertig, entfällt der Schutzzweck der Verordnung und eine generelle Bevorzugung des CE-IVD dem IH-IVD gegenüber ist grundlose Diskriminierung, ein aktiver Eingriff in die Entscheidungskompetenz der medizinischen Diagnostik-Einrichtungen und entbehrt jeglicher inhaltlicher sowie regulatorischer Grundlage. Neben der Förderung der Innovationsfähigkeit in der Gesundheitsversorgung stellt der Entfall der Regelung eine direkte Vereinfachung des Regelwerks dar, entlastet die Einrichtungen von zusätzlicher Dokumentation und wirkt sich positiv auf die Kosten in der In-vitro-Diagnostik aus (Verhinderung von Monopolkonstellationen).
2. Abschaffung von Doppelarbeit: Nach Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe a IVDR dürfen Eigenherstellungen von Gesundheitseinrichtungen nicht an eine andere rechtlich eigenständige Einrichtung abgegeben werden. In der Versorgung ergeben sich erhebliche Mehraufwände mit der Klausel für gemischt stationär und ambulant tätige Versorgungseinrichtungen. Eine Krankenhauseinrichtung (Labor, Pathologie), die sich die Räumlichkeiten, Technik und Personal mit einem MVZ teilt, muss formal die Vorgaben zur Eigenherstellung für jede rechtlich eigenständige Institution einzeln, also zweimal umsetzen, obwohl beide Institutionen dieselben Ressourcen nutzen. Für die Eigenherstellung innerhalb eines Standortes, der von mehreren Einrichtungen genutzt wird, sollte es die Möglichkeit einer Eigenherstellung in einer gemeinsamen Verantwortung geben, in dem die behandelnde Einrichtung gegenüber dem Patienten haftet und die Verantwortlichkeiten im Binnenverhältnis vertraglich zu regeln sind.
3. Vereinfachte regulatorische Anforderungen: Medizinische Diagnostik-Einrichtungen müssen von reduzierten Anforderungen des Anhang I und verschlankten Dokumentationspflichten profitieren. Die etablierten Qualitätsmanagement- und Risikomanagement-Systeme nach Rili-BÄK, DIN EN ISO 15189 bzw. DIN EN ISO 17020 gewährleisten seit Jahren hohe Patientensicherheit. Mit der 2023 revidierten DIN EN ISO 15189, die auch in der DIN EN ISO 17020 Beachtung findet, steht ein modernes Regulierungssystem bereit.
4. Anpassung der Anforderungen an IH-IVD für kleine Patientengruppen: Die Versorgung kleiner Patientengruppen bedarf gesonderter Regelungen. Diesem Sachverhalt wird bereits durch verschiedene Sonderregelungen wie der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden oder der Humanitarian Device Exemption der FDA Rechnung getragen. Entsprechend müssen auch die Anforderungen aus Artikel 5 Absatz 5 IVDR für IH-IVD für kleine Patientengruppen, bei seltenen Erkrankungen und bei geringer Probenmaterialverfügbarkeit angepasst werden, um die Versorgung dieser Patientengruppen sicherzustellen. Der Nachweis der klinischen Leistungsfähigkeit (Anhang I Kapitel II Nr. 9.1 b IVDR) von IH-IVD für die Diagnose bei geringer Fallzahl oder geringer Probenmaterialverfügbarkeit muss entfallen oder sukzessive erfolgen können. Damit könnte der Nachweis der Leistungsfähigkeit des IH-IVD erbracht und gleichzeitig die medizinische Versorgung individueller Patientinnen und Patienten unter hohen Leistungsstandards ermöglicht werden.
Die genannten Maßnahmen tragen dazu bei, das EU-Regelwerk für In-vitro-Diagnostika zu vereinfachen und die Sicherheitsanforderungen an In-vitro-Diagnostik kosteneffizienter und verhältnismäßiger zu gestalten. Dies ist unerlässlich, um Innovationen zu fördern, eine evidenz-basierte Diagnostik seltener Erkrankungen und in der personalisierten Medizin zu ermöglichen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten langfristig sicherzustellen.
Referenzen
1. Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlament und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDR) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0746
2. Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32000R0141
3. Humanitarian Device Exemption der FDA, updated 13.01.2025 https://www.fda.gov/medical-devices/premarket-submissions-selecting-and-preparing-correct-submission/humanitarian-device-exemption
Weitere Informationen/Stellungnahmen
https://www.bvdh.de/newsdownload/250/Gemeinsame_Stellungnahme_IVDR_07-2024.pdf
Im Namen des Vorstandes des Berufsverbands Deutscher Pathologinnen und Pathologen e. V. und der aufgeführten Verbände und Fachgesellschaften
Prof. Dr. med. Ludwig Wilkens
Präsident
Berufsverband Deutscher Pathologinnen und Pathologen e. V.